Jede Operation ist anders, und vor allem wirkt jede Narkose anders. Schlafen wird man hoffentlich in jedem Fall. Insgesamt bin ich bislang elf Mal operiert worden. Es gab extrem lange von über sieben Stunden, aber auch recht kurze mit nur einer Stunde OP-Dauer.
Aber eines ist bei mir immer gleich, diese verdammte Übelkeit danach. Viele Jahre nach dem OP Marathon wurden mir die Mandeln entfernt. Ich habe dem Narkosearzt davor eindringlich mitgeteilt, wie ich darauf reagiere, und ihn gebeten mir gleich danach etwas gegen diesen Brechreiz zu geben. Entweder haben sie nach der OP darauf vergessen, oder aber ich war schneller. Mit dem Öffnen der Augen, war es auch schon passiert – mit offenen Wunden im Hals eine durchaus reizlose Situation.
Zurück nach Speising, der Ilizarov-Apparat war schon lange entfernt und der Primar wollte versuchen mir rund einen Zentimeter im Bereich des Oberschenkels zu schenken, indem die Hüftkugel ein wenig aufgedreht werden sollte. Durch die Deformation der Hüftkugel schien dies eine geeignete Möglichkeit und ich freute mich darauf mit nur einer OP und wahrscheinlich überschaubaren Folgeschmerzen einen Zentimeter zu erlangen – wo ich doch für knapp 6 Zentimeter 9 Monate, mit durchaus schmerzvollen Passagen hinter mir hatte.
Nach der OP wurde ich munter, bzw. fand ich langsam zu mir und sah den Primar auf meiner Bettkante sitzen. Augen zu, Augen auf, das kann nicht sein, es ist nicht Visitenzeit und warum zur Hölle sitz er auf meinem Bett? Die Erklärung folgte auf den Fuß, er war da um mir als erster mitzuteilen, dass die OP leider nicht geklappt hatte. Als sie den Knochen unterhalb des Oberschenkelhals abgetrennt hatten wurde ersichtlich, dass der Knochen bislang nur auf der Außenseite zusammengewachsen war, nach Innen, Richtung Oberschenkelinnenseite fehlte ein ganzer Keil. Das hat man bislang auf den Röntgenbildern nicht gesehen, da es mir körperlich nicht möglich war, und nach wie vor nicht ist, das Bein anzuwinkeln und nach außen fallen zu lassen, so gut wie keinerlei seitliche Rotation.
Um dieses fehlende Stück aufzufüllen, hat man mir einen Knochensplitter am Becken entnommen und diesen an fehlender Stelle eigesetzt, in der Hoffnung, dass nun alles gut heilen wird. Tja, somit waren wieder Schrauben zur Fixation eingesetzt, ein Beckenbeingips für weitere Monate angelegt und kein gewonnener Zentimeter Beinlänge. Aber ja, das Leben geht weiter – egal wie, die jetzt noch fehlenden Zentimeter versuchen wir dann wenn ich bereit für eine künstliche Hüfte bin.
Als die Schrauben wieder entfernt wurden, war das Aufwachen überhaupt nicht lustig. Ich mache die Augen auf und sehe nur weiß ober mir, ein Baldachin aus Leintüchern. Ich lasse den Blick schweifen und sehe meine Mutter und meine Freundin am Bett sitzen. Barbara weint fürchterlich, das macht mir Angst. Meine Mutter holt die Schwester um ihr zu sagen, dass ich jetzt munter bin. Diese kommt dann auch um mir Blutdruck zu messen. Mit ihr kam auch die Erklärung für den Baldachin. Das Krankenhaus war zu diesem Zeitpunkt nicht im Bereich Intensivmedizin ausgestattet, da mein Kreislauf nach der OP kollabiert ist und alles andere als stabil, wurde versucht mit nassen Leintüchern das Raumklima zu verbessern und mir das Atmen zu erleichtern. Als mir bewusst wurde, dass meine Situation auf meine Freundin und meine Mutter verängstigend wirkt, war der erste Reflex mich stark zu machen und zu zeigen, es geht mir gut, alles ist vorbei, jetzt passt wieder alles, kein Grund zur Sorge.
Der zweite Reflex war, sie zu bitten zu gehen, denn ich wusste lange konnte ich das Schauspiel nicht durchhalten. Ab diesem Zeitpunkt habe ich immer darum gebeten mich am Tag der OP nicht zu besuchen. Jede OP, jede Narkose kostet extrem viel Kraft und Energie, da bleibt nichts über, um sich auch noch um seine Mitmenschen zu kümmern. Das klingt hart? Ja ist es wahrscheinlich auch, und es ist mir bewusst, das sich meine Familie und meine Freunde Sorgen um mich machen, nur eines könnt ihr mir glauben, Tränen und heulendes Elend sind in dieser Situation nicht hilfreich, ein aufmunterndes Lächeln schon eher, denn das Leben geht weiter – egal wie
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