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Blog 10 Was ist eigentlich mit dem Unfallgegner?

An meinen Unfallgegner als Person habe ich keinerlei Erinnerung.

Das einzige was ich von ihm weiß, ist sein Name und wie ich ihn und sein Verhalten in Zusammenhang mit meinem Unfall wahrgenommen habe. Das Auto habe ich erst bemerkt, als es uns bereits getroffen hat. Aus dem Radio kam ein Hit von den Dire Straits – Money For Nothing. Im Krankenhaus Mödling habe ich immer die Hitparade im Radio gehört, da war es neben Rock me Amadeus von Falco immer ganz vorne dabei.

Er hatte Freunde im Auto, in dieser Lebensphase gerade seinen Wehrdienst geleistet und offensichtlich sein freies Wochenende genossen. Aus heutiger Sicht kann ich den Unfallhergang gut nachvollziehen, die Kreuzung ist sehr schwer einsehbar und ja, wir hatten Rechtsvorrang, aber das vergisst an dieser Stelle so gut wie jeder. Die Geschwindigkeit ist ein anderes Thema, 30, 50, 70 kmh – es geht so schnell, in ein Gespräch verwickelt, gute laute Musik im Auto und …buhhmmm ist es auch schon passiert.

Das Gericht hat den eigentlichen Sachverhalt nie angezweifelt – hier war ganz klar, das er per Gesetz zu 100 Prozent schuld war. Es wurde jedoch versucht meiner Mutter eine Teilschuld anzuhängen. Weil sie uns Kinder zu zweit auf einem Fahrrad hat fahren lassen und weil sie hinter uns war, und nicht vor uns.

Aber mal ganz ehrlich, jeder der Kinder hat wird das nachvollziehen können. Als Eltern möchte man seine Schützlinge im Blick haben und sehen wie sie sich im Straßenverkehr verhalten. Ein Fahrrad hat keinen Rückspiegel in den man ständig schauen kann, was hinter einem so abläuft. Als meine Tochter begonnen hat auf der Strasse Fahrrad zu fahren, habe ich es genau so gemacht, ich bin hinter ihr gefahren um zu sehen was sie tut. Selbstverständlich habe ich sie verbal dazu angehalten bei allen Kreuzungen stehen zu bleiben, sich rechts zu halten, in Seitenstrassen einzusehen, mal mehr mal weniger hysterisch. Diese Lernphase war für uns beide sicher sehr mühevoll – ich habe mich meinen Ängsten gestellt und sie hat mich ertragen. Hier bleibt letztendlich zu beurteilen woher die größere Gefahr rührt – die Unvorsicht fremder Dritter oder die Unbekümmertheit der Kinder.

Am Unfallort selber habe ich ihn als Person gar nicht wahr genommen. Mir wurde danach erzählt, dass er sich mit der Polizei unterhalten hat, auch die habe ich nur dumpf in Erinnerung. Wochen nach dem Unfall hat mir Sabine erzählt, dass er sich bei ihr für das Geschehen entschuldigt hat. Der Weg ins Krankenhaus nach Mödling war ihm vielleicht zu weit, oder das schlechte Gewissen zu groß. Schließlich war ich es, die mit schweren Verletzungen und lebenslangen Folgeschäden im Krankenhaus lag. Das habe ich ihm bis heute noch nicht richtig verzeihen können.

Ich bin mit ihm im Reinen und trage ihm nicht nach, dass dieses Unglück passiert ist. Schließlich hat er mich nicht vorsetzlich verletzt und war auch nicht betrunken. Es geht halt einfach verdammt schnell, ein kleiner Augenblick genügt hier schon. Was ich ihm nach wie vor nicht verzeihe ist, dass er nie das Gespräch mit mir gesucht hat, bis heute nicht. Ich frage mich oft, ob er je Alpträume hatte, ob er darüber nachdenkt, wie es mir wohl geht, was ich in all den Folgejahren erlebt habe.

Einige Monate nach dem Unfall bin ich ihm auf der Strasse beim spazieren begegnet, ich mit Krücken und Gips, er auf der anderen Strassenseite. Auch da hat er mich nicht angesprochen.

Vielleicht finden diese Zeilen ihren Weg zu ihm – Ewald, meine Tür steht offen – vielleicht magst du mir mal erzählen, wie dieses Ereignis dein Leben verändert hat?!

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