Genau genommen ist es in der Tat so, an der Vollnarkose führt kein Weg vorbei und wenn enorme Übelkeit bei mir dazu gehört, dann ist das eben als Kollateralschaden in Kauf zu nehmen. Eine Bekannte meines Mannes, sie ist Chirurgin in Kärnten gibt den Tipp, Hochdosiertes Vitamin K und D für die Knochenheilung zu nehmen – und ich soll im Vorgespräch mit dem Anästhesisten klären, ob er mir vor der Narkoseeinleitung etwas spritzen kann, das die Übelkeit verhindert. Das mache ich dann auch, in Speising gibt es sogar ein diesbezügliches Forschungsprogramm welches auf der Gabe von Vitamin C basiert. Durch das Cell-Reset-Programm habe ich auch schon die 10 Wochen vor der OP hochdosiertes Vitamin C zu mir genommen. Woche für Woche verliere ich an Gewicht, grob geschätzt jeweils 1Kilo. Insgesamt sind es sicher 8-10, und eine gute Kleidergröße, ich passe jetzt in 36 wieder ganz locker rein, welch ein toller Nebeneffekt!
Ein Teil der OP-Vorbereitung ist ein CT-Röntgen, der Termin ist schnell organisiert und das Ergebnis haarsträubend. Ganz ehrlich, warum bekommen Patienten ihren Befund direkt geschickt und nicht über den zuweisenden Arzt? Beim Lesen der Zeilen wird mir ganz anders, da stehen Dinge drinnen, von denen ich zum ersten Mal höre. Massiv wuchernde Knochenzysten und ein Spalt von 3,5×0,5cm – Das alles natürlich neben den üblichen Auffälligkeiten, also schwer deformierter Hüftkopf etc. Ein Anruf bei Dr. Müller, bringt etwas Entspannung, Zysten sind bei dieser Vorgeschichte nichts Unübliches, und es wird alles wegefräst, der Spalt im Bedarfsfall mit was auch immer gestopft – bitte nicht so viele Details.
Die Wochen vergehen wirklich rasch, und ich bin froh über jede Einzelne. Es ist beruflich so viel vorzubereiten, wegzuarbeiten, zu organisieren – ein, zwei Wochen bin ich sicher außer Gefecht. Ich möchte meine Mitarbeiter nicht im Chaos versinken lassen, es ist ja ohnehin immer viel zu tun. Die Schmerzen werden ebenso immer weniger, und das obwohl ich keine Schmerzmittel nehme. In der ganz schlimmen Phase habe ich es versucht, doch mir wurde von den Tabletten übel. Außerdem habe ich immer das Gefühl, es ist besser, ich spüre den Schmerz und kann somit rechtzeitig Pause machen, anders auftreten oder eben einfach liegen bleiben um nicht noch mehr kaputt zu machen. Mit meinem Mann nehme ich den Termin der OP-Vorbesprechung wahr. Ich bin fasziniert von dieser tollen Organisation, alles läuft gut strukturiert ab und die Wartezeiten sind kurz. Sehr angenehm ist, dass die Namen nicht via Lautsprecher aufgerufen werden, sondern mit einem dezenten Signalton auf Monitoren angezeigt werden. Alles in allem, ich fühle mich gut vorbereitet und informiert für die nahende OP in zwei Wochen.
Sonntag-Mittag, es ist so weit, ein letztes Mal zu Hause duschen – mit desinfizierender Seife. Soll angeblich helfen, alle möglichen Keime abzutöten und somit das Infektionsrisiko zu verringern. Um 14:30 soll ich im Krankenhaus sein, ich kann mir zwar nicht vorstellen, was da heute noch passieren soll, aber ja, irgendwann muss es ja losgehen. Meine OP ist als dritte am Montag in der Früh geplant – ich soll mich auf circa 10 Uhr einstellen. Um acht Uhr nochmals desinfizierend duschen, dann bekomme ich einen Venflon gesetzt – am Handgelenkt, ab jetzt ist ablenkendes Häkeln nur mir bedingt möglich, und um 9 Uhr werde ich bereits abgeholt, das geht ja schnell.
In der OP-Schleuse herrscht gedämmtes Licht, sehr angenehm. Die Tabletten die ich am Zimmer noch bekommen habe scheinen zu wirken, ich habe erstmals kein Herzrasen. Jeder der an mein Bett tritt stellt sich namentlich vor und fragt mich, was heute bei mir gemacht wird – abgesehen davon, dass ich mir keinen einzigen Namen merke, bin ich mir sicher, dass diese Fragen einzig und allein davon ablenken sollen, nervös zu werden. Bei mir klappt es, ich bin entspannt und freue mich auf das was kommt. Endlich, ein Augenpaar das ich kenne kommt auf mich zu – OA Dr. Müller, ganz in grün, mit Mundschutz, deshalb erkenne ich auch nur die Augen. Erstmal auf dem OP Tisch geht es dann richtig schnell, gefühlt innerhalb von wenigen Minuten versinke ich in tiefen traumlosen Schlaf. Als ich wieder zu mir komme, nehme ich Licht durch die geschlossenen Lieder wahr, und Stimmen rund um mich, man sagt mir, dass es vorbei ist – gut, ich mag weiterschlafen. Eine Hand auf meiner Schulter weckt mich, ich kämpfe mich durch den Schlafnebel und versuche die Augen zu öffnen, Dr. Müller steht neben mir und verkündet freudig, wir haben es geschafft, die Beine sind gleich lang. Augenblicklich schießen mir Tränen in die Augen und ich versuche ein SUPER! zu formulieren, dann schlafe ich sofort wieder ein, ständig von diesen Worten begleitet die mein Hirn immerfort überlegen lassen, war das Einbildung oder Realität. Bevor ich aus dem OP Bereich gebracht werde, schaffe ich es noch eine Schwester zu fragen, wie lange ich hier war – zweieinhalb Stunden, inklusive ein- und ausschleusen.
Zurück im Zimmer schaffe ich es meinem Mann eine kurze Nachricht zu schreiben, schlafe dann aber gleich wieder ein. Was mir jedoch sofort auffällt, die erwartete Übelkeit bleibt diesmal aus, nur ein leichter Druck im Magen, aber sonst ist alles in mir ruhig. Noch am selben Tag steht ein Physiotherapeut am Bett und möchte, dass ich mit ihm einige Übungen mache, das bringt mich erstmals dazu unter die Decke zu blicken – keine Drainage!! Nur ein Katheder – das ist der Jackpot. Egal was jetzt kommt, es kann nicht so schlimm sein. Vor der Entfernung der Drainage hatte ich so Spundus, welch eine Erleichterung. Das Bein ist schwer aber ich kann es bewegen, irgendwie fühle ich mich in Watte gepackt, und einen dumpfen Schmerz vom Knie bis zu den Rippen, der Therapeut erklärt mir, das ist die Zerrung, alles ganz normal. Na dann, wir versuchen mit den Zehen zu wackeln, den Fuß anzuziehen, das Bein im Liegen aufzustellen und die Beine aus dem Bett hängen zu lassen und auf der Bettkante zu sitzen – eigentlich wäre das Ziel aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen, aber da ist mein Kreislauf schwer dagegen, morgen ist auch noch ein Tag. Alle paar Stunden bekomme ich eine schmerzlindernde Infusion, bis auf den stumpfen dauerhaften Schmerz tut mir auch nichts weh. Am Abend kommt mein Mann zu Besuch und meine erste Bitte ist – schau dir meine Beine an, sind die wirklich gleich lang?!
In der Früh sitze ich im Bett und starre auf meine Knie – unfassbar, die sind fast auf einer Linie. Für mich ist es so ein ungewohnter Anblick, dass ich es gar nicht begreifen kann. Die ersten Schritte, obwohl mit Krücken, so ungewohnt, beide Beine berühren den Boden, von den Zehen, bis zur Fersen in Schuhen, ohne Höhenausgleich. Die Tageszeit vergeht so rasch, Frühstück, allgemeine Visite, Physiotherapie, Ergotherapie – ich habe gelernt mir den Socken mit Hilfe eines Handtuchs anzuziehen, sehr genial! Mittagessen, ein bisschen ausrasten und dann das Highlight des Tages – Visite vom eigenen Operateur! Endlich gibt es detaillierte Infos, wie es gelaufen ist, was gemacht werden konnte, und wie das Ergebnis aussieht. Ganz ehrlich, das ist das beste Service. Persönlich, informativ und auf den Punkt gebracht. Das hat es in dieser Form vor 25 Jahren nicht gegeben. Danach ist Besuchszeit und Abendessen bevor die unendlich lange Nacht beginnt. Es ist schon mal ungewohnt, mit fremden Menschen im gleichen Raum zu schlafen und deren Geräuschen zu lauschen, für mich ist die Höchststrafe allerdings auf dem Rücken liegen zu müssen. Sowohl die Ärzte als auch die Therapeuten schärfen einem ein, wie wichtig es ist, die Beine nicht zu überkreuzen, zu verdrehen und nicht mehr als 90 Grad in der Hüfte zu beugen. In Seitenlage soll ein Polster zwischen den Beinen lagern – ich habe das versucht, nicht in der ersten, jedoch in der zweiten Nacht. Der ständig vorhandene stumpfe Schmerz zwischen Knie und Rippen war plötzlich gar nicht mehr so stumpf und ging bis zum Ohr, Danke, ich schlafe weiter auf dem Rücken, oder eben nicht. Mehr als vier Stunden Schlaf habe ich im Krankenhaus nicht geschafft, außer direkt nach der OP.
Die Übungen der Physiotherapie werden täglich erweitert, es ist wirklich faszinierend wie schnell der Körper lernt und auch regeneriert. Übungen die am Vortag noch wirklich mühevoll gingen, fallen heute leicht. Am fünften Tag gibt es noch einen Verbandwechsel und dann darf ich auch schon nach Hause. Zu Hause fällt das Schlafen leichter, auch wenn die Schmerzen nach wie vor da sind. Bereits am ersten zweiten Tag zu Hause, kämpfe ich mich mit den Krücken eine Runde um den Häuserblock, Schritt für Schritt, meine Schwiegermama geht mit meinem Hund neben mir, Tag für Tag und jeden Tag wird die Runde größer. Am vierten Tag gehe ich erstmals alleine, mit Hund – ein Irrsinn, ich weiß, aber es fühlt sich verdammt gut an. Schritt für Schritt wieder zurück in ein normales Leben. Im Haus wage ich nach kurzer Zeit schon bald kleine Wege mit nur einer Krücke – ich sollte vier Wochen mit zwei gehen, aber ich möchte mir meinen Kaffee selbst tragen. Nachdem es keinerlei stechenden Schmerz gibt und ich mein Bein vertrauensvoll und vorsichtig und mit Bedacht aufsetze, fühlt es sich für mich richtig an. Abgesehen davon kann ich gar nicht anders, konnte ich noch nie. Auch zu Hause gehe ich regelmäßig einmal pro Woche zur Massage und zur Physiotherapie, mache täglich meine Übungen und steigere mein Bewegungspensum je nach Befinden. Zwei Wochen nach der OP waren es rund 4000 Schritte pro Tag, dann 5000, 6000, etc. Jetzt, sechs Wochen nach der OP liegen ich bei 11.000 Schritten pro Tag plus 5-10 Minuten am Crosstrainer mit leichtem Wiederstand. Heute war ich auch bereits für ein paar Minuten am Spinning Bike, ein wirklich tolles Gefühl.
Die Sensation schlechthin ist die Sache mit den Schuhen! Ich habe alle meine Schuhe, und das waren über 40 Paar entsorgt! Nach 32 Jahren bin ich erstmals in der Lage, in ein Schuhgeschäft zu gehen, anzuprobieren und kann sie gleich anlassen – kein extra Weg mehr zum Orthopädieschuhtechniker, uneingeschränkte Auswahl, keine Gedanken mehr daran ob dieser Schuh bearbeitbar ist oder nicht. Eine Eintrittskarte in eine für mich neue Welt. Das gehen auf der Straße oder einem Feldweg, ein gänzlich neues Gefühl. Plötzlich spüre ich alle Unebenheiten, Untergründe unter meinem linken Fuß, bislang waren da mindestens 3cm extra Gummisohle dazwischen. Kein ständiges Umknicken mehr, der Fuß steht sicher am Boden und spürt jetzt viel früher, was sich am Boden abspielt – wahrscheinlich ist das für all jene, die nie ein derartiges Handicap hatten unvorstellbar, für mich ist es ein riesiger Zugewinn an Lebensfreude, Wohlbefinden und Lebensqualität. Ich habe zwei gleich lange Beine – das ist Weihnachten, Ostern und Geburtstag auf einmal – mein persönlicher Lebens-Jackpot!
Mein Resümee – nach 13 Operationen, 32 Jahren, viel harter Arbeit und Disziplin mit mir selbst bin ich auf der Zielgeraden, auf dem Weg zu einem Stück „normalen“ Leben, weniger Einschränkungen, weniger Schmerzen, weniger sichtbarer Behinderung. Das erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit und Demut. Gesundheit kann man sich nicht kaufen, aber man kann positiv dazu beitragen. Wer mich persönlich kennt, der weiß, ich spreche immer alles offen aus, so wie ich es empfinde. Das Schicksal hat mir vor 32 Jahren mit diesem Unfall ein verdammt großes Monster an die Seite gestellt. Ich habe gekämpft, es ertragen, über lange Strecken auch erlitten aber offenbar auch erfolgreich in den Arsch getreten. Jetzt ist es nur mehr am Horizont zu sehen, und ich habe nicht vor zu winken. Es bleibt sohin nur eine einzige Schlussfolgerung, – das Leben geht weiter, egal wie. Aufgeben ist keine Option!
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